TRÄNEN
Im Januar diesen Jahres machte ein mysteriöses Instagram-Profil die Runde. Kurz später ging eine Strecke analoger Fotos online — statt Personen zeigte sie Synthesizer, Gitarrenhälse und einen frostig-dystopischen Sonnenuntergang. Ein paar Wochen später endlich, wenn auch verwaschen: Gesichter. In einer Konstellation, die wohl niemand erwartet hätte. TRÄNEN sind auf der einen Seite: Gwen Dolyn, die seit 2020 mit Punk-Attitüde den deutschsprachigen Progressive-Pop-Untergrund aufmischt und begleitet von ihrer Band Toyboys längst zum Postergirl der "NNDW" avanciert ist. Auf der anderen Seite: Steffen Israel, Gitarrist der Chemnitzer Band Kraftklub.
Gwen Dolyn und Steffen Israel dürften von der Größe ihres Projektes TRÄNEN anfangs selbst überrascht gewesen sein. Gwen hatte lediglich die Idee, den Deutschpunk-Klassiker "Duell der Letzten" von Chaos Z neu zu interpretieren und meldete sich bei Steffen. Innerhalb kürzester Zeit wuchs aus einer klassischen Punk-Cover-Version eine deutlich innovativere Reprise: ein modernes "Duell der Letzten", das zackig und doch dreamy, hämmernd und zugleich harmonisch, angewidert und dennoch wehmutvoll klingt. Erstaunlich organisch, improvisiert, beinahe kopflos war eine eigenständige Sound-Ästhetik gefunden, getragen von sinistrer New-Wave-Aura, klangschönen Pop-Passagen, nachhallenden Vocals, 80’s-esken Synthieflächen und dominanten Gitarrenläufen. Warum also nicht einen zweiten Song schreiben oder gar einen dritten?
Am Ende einer etwa einjährigen kreativen Reise steht mit "Haare eines Hundes" nun ein komplettes TRÄNEN-Album. Das bindende Element im Feuerwerk: Gwen Dolyns Stimme. Und, na klar, diese unverwechselbaren Texte voll nahbarer Bedrücktheit und findigem Gedankenspiel, die mal an Wir sind Helden, mal an Hans-A-Plast und mal an Ideal erinnern — "liebt ihr mich mehr, wenn Randale nur ein Wort ist für Kapitulation?"